Die internationale Medienkonferenz M100 hatte 2019 den Titel „From Pipedream to Reality – Democracy and the European Public Sphere“ (deutsch: Vom Wunschtraum zur Realität – Demokratie und die europäische Öffentlichkeit“).
Die Eröffnungsrede hielt Prof. Saskia Sassen von der Columbia University. Sie setzt sich in ihrer wissenschaftlichen Forschung mit der Globalisierung und der Analyse von Krisenstrukturen auseinander und zeigte den Teilnehmenden eine soziologische Perspektive auf aktuelle Herausforderungen der EU auf.
Die anschließenden Diskussionen waren in drei Gesprächsrunden unterteilt.
Session I: Europa als Kommunikationsraum und die Rolle der Medien bei der Überwindung der aktuellen Verständigungskrise
In der ersten Diskussionsrunde wurde betont, dass Konflikte grundsätzlich gut und produktiv sind. Im europäischen Kommunikationsraum werden die Themen jedoch von nationalen Akteuren und vom Populismus bestimmt, was ein Problem darstellt.
Was jedoch mit der Verständigungskrise genau gemeint ist, wurde in der Runde nicht explizit thematisiert und definiert. Aus einer postmodernen Perspektive wird die Möglichkeit gelingender Kommunikation und Verständigung „im Sinne einer kollektiven Einigung und Konsensfindung“ als eher unwahrscheinlich angesehen und kann somit in performativen Öffentlichkeiten kein Ziel sein, wie Prof. Cathleen Kantner in ihrem Buch „Kein modernes Babel: Kommunikative Voraussetzungen europäischer Öffentlichkeit“ bereits ausgeführt hat. Ihrer Ansicht nach machen Meinungsstreit und Dissens den öffentlichen Diskurs erst interessant.
In der abschließenden Diskussion wurde darauf verwiesen, dass Skeptizismus ein gutes Zeichen für die Demokratie sein kann und auch eine demokratische Entscheidung, wie beispielweise für einen Brexit aus einer Langzeitperspektive betrachtet sogar ein identitätsstiftendes Element für Europa sein kann, da es den Europäern die Freiheit signalisiert, die Europäische Union auch notfalls verlassen zu können.
Session II: die Lage der Pressefreiheit in Europa und Wege, um den Schutz dieser auszubauen
Der theoretische Input zu dieser Gesprächsrunde wurde von Dr. Julie Posetti vom Reuters Institut for the Study of Journalism. Sie führte aus, dass sich der Journalismus in einer Krise befindet, die unter anderem auch durch das Bashing Donald Trumps der Medien erst entstanden ist. Sie appelliert „Make Journalism great again“. In Desinformation und Fake News sieht die Wissenschaftlerin eine weitere Bedrohung für den Journalismus und der Gesellschaften als Ganzes. Desinformationskampagnen vor allem in den sozialen Medien vergiften den gesellschaftlichen Diskurs. Jedoch kann diesen Fake News und Desinformationskampagnen nicht mit Gesetzen begegnet werden, so Christian Mihr von „Reporter ohne Grenzen“: „Weder Deutschland noch die EU sind stark genug, dem entgegenzuwirken. Am Ende muss sich die Gesellschaft als Ganzes dagegen wehren.“ Er weist zudem darauf hin, dass der Quellenschutz und auch der digitale Quellenschutz im Journalismus immer wichtiger wird und sich leider viele Journalisten sich dessen nicht bewusst sind und sehr fahrlässig damit umgehen.
Journalisten sollten in kollaborativen Projekten und Netzwerken vermehrt zusammenarbeiten, so der Tenor der Runde.
Brigitte Alfter von der Stiftung „Arena for Journalism in Europe“ hat bereits gut Erfahrungen gemacht und auf transnationale Kollaborationen verweisen, in denen beispielsweise Recherchematerialien miteinander teilen wurde und ein gegenseitiges Fakten prüfen stattfand.
Auch bei der Wahlbeobachtung bewegen sich die Journalisten beim Kampf gegen Desinformationen in der Frontline. Auch hier stellen kollaborative Projekte ebenfalls eine Lösung dar.
Selbstkritisch wurde in der Runde auch reflektiert, ob die Medien transparent genug sind. Um wieder Glaubwürdigkeit und Vertrauen herzustellen, wäre mehr Transparenz über Arbeitsweisen, die Generierung von Informationen sowie die Finanzierung der Medien selbst wichtig für mehr Transparenz. Informationen dieser Art werden von den Medien selbst zu recht als „Vierte Gewalt“ von anderen Institutionen und Organisationen gefordert und deshalb sollten sie auch in nichts nachstehen. „Reporter ohne Grenzen“ betreibt bereits im „Media ownership Monitoring“ solche Arbeiten zu mehr Transparenz. Informationen zum zentraleuropäischen und amerikanischen Medienmarkt sind dort jedoch leider nicht zu finden. Gerade auf dem amerikanischen Medienmarkt ist beispielsweise die Monopolisierung der Medien jedoch extrem ausgeprägt. Der amerikanische Medienmarkt wird zu 90 Prozent von fünf Konzernen bestimmt und 99 Prozent der Nachrichten beziehen ihre Informationen von zwei Nachrichtenagenturen (AP, UPI) (Kleinsteuber, H. J./Thomaß, B.: Kommunikationspolitik international – ein Vergleich nationaler Entwicklungen. In: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Internationales Handbuch Medien.).
Session III: die Zukunftsfähigkeit der Medien und aktuelle Rahmenbedingungen für Medieninnovation
In der letzten Runde wurde die Krise des Journalismus beleuchtet. Die klassischen Medien verlieren an Traffic, wie aus der jüngste Publikation des Reuters Instituts hervorgeht.
Eine Idee ist die Etablierung einer europäischen Medienplattform, die ja bereits seit längerer Zeit vom ARD-Chef Ulrich Wilhelm als Vision und europäisches Gegenmodell zu YouTube und Facebook vorgebracht wurde, welches sich derzeit jedoch noch in der politischen Konzeptionsphase befindet.
In der Runde wurden jedoch auch innovative Ideen jenseits solcher Plattform diskutiert. Brigitte Alfter wies darauf hin, dass der Wettbewerbsgedanke unter den Journalisten und der Medienunternehmen, der in den offline-Medien etabliert wurde, im digitalen Zeitalter kontraproduktiv ist. Die Lösung liegt in Kooperationen und Netzwerken. Tina Kulow von Facebook Deutschland, glaubt jedoch weiterhin an den Qualitätsjournalismus und sieht die Lösung in neuen, qualitativ hochwertigen Plattformen und Distributionsformen. Mark Zuckerberg war bereits zu diesem Zweck mit dem Chef der Bild Zeitung, Matthias Töpfner im Gespräch. Marc Zuckerberg möchte Facebook für den Qualitätsjournalismus attraktiver machen und plant ein neues Angebot für Nachrichten und Informationen innerhalb von Facebook, dessen Modell und Konzept er mit Inhalteanbietern, wie der Bild Zeitung entwickeln möchte.
Wir dürfen gespannt sein, ob sich mit diesen Innovationen die Zukunftsfähigkeit der Medien gestärkt werden kann.